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Aktuelles

27.05.2016

Bundesarbeitsgericht entscheidet: Weihnachts- und Urlaubsgeld können auf den Mindestlohn angerechnet werden

Nach seiner Einführung am 01.01.2015 ist es ein wenig ruhig um den Mindestlohn geworden. Nach der Umsetzung des Mindestlohngesetzes war Hauptstreitpunkt zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern immer wieder die Anrechenbarkeit von Entgeltbestandteilen, wie Sonderzahlungen und Zuschläge. Denn die Anrechenbarkeit dieser Leistungen konnte für Arbeitgeber eine zulässige Möglichkeit zur Umgehung des Mindestlohns darstellen. Der Gesetzgeber hatte es diesbezüglich versäumt klare Regelungen zu schaffen, so dass - wie üblich im Arbeitsrecht - nun die Arbeitsgerichte den Weg vorgeben müssen. Mit Spannung wurde deshalb die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) erwartet.

 

In der Entscheidung ging es insbesondere um die Frage, ob neben dem vereinbarten Stundenlohn gezahlte Entgeltbestandteile wie Sonderzahlungen und Zuschläge den Mindestlohn pro Stunde erhöhen oder hierauf anrechenbar sind.

 

Im konkreten Fall ging es um eine Cafeteria Mitarbeiterin, die vor Einführung des gesetzlichen Mindestlohns weniger als 8,50 EUR in der Stunde verdiente. Ihr Arbeitsvertrag sieht neben dem Stundenlohn Sonderzahlungen in Form eines Urlaubsgeldes, eines Weihnachtsgeldes sowie die Zahlung von Überstunden-, Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschlägen vor. Vor Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes versuchte die Arbeitgeberin ihre Arbeitnehmer zunächst durch Vorlage von Änderungsverträgen dazu zu bewegen, eine Neuverteilung der bisher erbrachten Jahressonderzahlungen zu vereinbaren; nämlich auf jeweils 1/12 in jedem Monat. Als dies scheiterte, schloss die Arbeitgeberin mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung, in der die Fälligkeit der arbeitsvertraglich vereinbarten Sonderzahlungen (Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld) auf 12 Monate verteilt wurde. Die anteilige Sonderzahlung rechnete die Arbeitgeberin ab dem 01.01.2015 auf den Mindestlohn an, so dass sich durch die Neuverteilung der Sonderzahlung für die Klägerin ein Stundenlohn oberhalb von 8,50 EUR ergab. Mit dieser Anrechnung war die Klägerin aber nicht einverstanden und erhob Klage. Darüber hinaus war sie der Auffassung, dass die Jahressonderzahlungen sowie die Zuschläge für Überstunden, Sonn-, Feiertags und für Nachtarbeit auf der Grundlage des Mindestlohns von 8,50 EUR/Stunde zu berechnen seien und nicht auf der Basis des niedrigeren Stundenlohns.

 

Das BAG wies die Klage ab und bestätigte damit die Vorinstanzen. Nach der Auffassung der Erfurter Richter tritt der gesetzliche Mindestlohn als eigenständiger Anspruch neben die bisherigen Anspruchsgrundlagen, verändert diese aber nicht. Leistungen wie Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld können auf den gesetzlichen Mindestlohn angerechnet werden, wenn ihnen Entgeltcharakter zukommt; sie also Arbeitsleistung vergüten sollen, und sie unwiderruflich und tatsächlich ausbezahlt werden. Nicht anrechnungsfähig sind dagegen Leistungen, die einen anderen Zweck verfolgen, wie die Honorierung von Betriebstreue oder Leistungen, die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung (z.B. § 6 Abs. 5 ArbZG) beruhen. (Urteil vom 25. Mai 2016, 5 AZR 135/16)

 

Die Entscheidung des BAG überrascht nicht. Der Gesetzesbegründung war schon zu entnehmen, dass Entgeltbestandteile, die eine Gegenleistung für die normale Arbeitsleistung darstellen, auf den Mindestlohn anrechenbar sein sollen. Zudem war die Frage der Berechnung von Mindestlöhnen bereits durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts im Hinblick auf den Mindestentgeltsatz des Arbeitnehmerentsendegesetzes geklärt. Bei der Anrechenbarkeit von Entgeltbestandteilen ist deshalb stets nach dem Zweck der Leistung zu fragen. Zudem ist zu beachten, dass eine Anrechenbarkeit nur für den Fälligkeitszeitraum möglich ist.

 

Die Zuschläge für die Nachtarbeit waren im Gegensatz zu den Überstunden-, Sonntags- und Feiertagszuschlägen auf der Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns zu berechnen, da das Arbeitszeitgesetz in § 6 Abs. 5 einen angemessenen Zuschlag auf das zustehende Bruttoentgelt verlangt.

 

Interessant war in diesem Rechtsstreit auch die Frage, ob die Verteilung der Sonderzahlung durch die Betriebsvereinbarung gegen den Grundsatz des Tarifvorbehalts § 77 Abs. 3 BetrVG verstößt und ob nicht wegen des Günstigkeitsprinzips ein Verstoß gegen die Fälligkeitsregelung im Arbeitsvertrag vorliegt. Die Instanzen haben beide Fragen verneint. Fälligkeitsregelung von Sonderzahlung sind ihrer Auffassung nach nicht tarifüblich und die Regelung im Arbeitsvertrag der Cafeteria Mitarbeiterin ist wegen des Charakters einer allgemeinen Geschäftsbedingung nach § 305 Abs. 1 BGB betriebsvereinbarungsoffen gestaltet.

 

Damit ist es den Betriebsparteien möglich, Fälligkeitsregelungen von Sonderzahlungen auch entgegen den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen zu ändern. Sofern aber im Betrieb kein Betriebsrat besteht, ist es Arbeitgebern nicht zulässig, einzelne Regelungen einseitig zu ändern. Hierfür bedarf es zwingend der Zustimmung des Arbeitnehmers!