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Aktuelles

08.11.2016

OLG Hamm kippt Aufzeichnungspflichten für die Landwirtschaft

Das Oberlandesgericht Hamm hat mit rechtskräftigem Beschluss vom 18.10.2016 festgestellt, dass Landwirte nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) nicht verpflichtet sind, die Arbeitszeiten ihrer Arbeitnehmer aufzuzeichnen.

Der in der Landwirtschaft für allgemein verbindlich erklärte Mindestentgelttarifvertrag sollte den Landwirten eine Übergangszeit zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns einräumen. Da der Mindestentgelttarifvertrag nach dem AEntG für allgemein verbindlich erklärt wurde, bestand aber jeher die Frage, ob Landwirte auch verpflichtet sind, die Arbeitszeiten ihrer Arbeitnehmer aufzuzeichnen. Die Dokumentationspflicht ist sowohl im Mindestlohngesetz als auch im Arbeitnehmerentsendegesetz geregelt. Nach dem Mindestlohngesetz muss der Arbeitgeber aber nur für geringfügig Beschäftigte (kurzfristig beschäftigte Saisonarbeitskräfte und Minijobber) sowie für die unter § 2a des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes fallenden Wirtschaftsbereichen die umfangreichen Aufzeichnungen nachweisen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales sowie der Zoll vertrat bisher die Ansicht, dass alle Branchen, die durch einen allgemein verbindlich erklärten Mindestentgelt-Tarifvertrag von der Übergangsregelung des Mindestlohngesetzes Gebrauch gemacht haben, sich nach der Dokumentationspflicht des AEntG richten müssen. Dem widersprach das OLG Hamm nun mit seiner aktuellen Entscheidung. (3 RBs 277/16)

Im vorliegenden Fall hatte ein Landwirt aus Extertal das Verfahren durch eine Selbstanzeige beim Hauptzollamt initiiert. Das Hauptzollamt Bielefeld erließ daraufhin als Bußgeldbehörde gegen den Betroffenen wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen das Arbeitnehmerentsendegesetz im Februar 2015 einen Bußgeldbescheid und verhängte ein Bußgeld von 1.000 Euro. Dem Betroffenen wurde zur Last gelegt, als Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes ab dem 01.01.2015 keine Aufzeichnungen über Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit des bei ihm beschäftigten Arbeitnehmers geführt zu haben. Dabei vertrat die Bußgeldbehörde die Auffassung, der Betrieb des Betroffenen  unterliege dem Geltungsbereich des AEntG und verpflichte den Betroffenen zu den in Frage stehenden Aufzeichnungen. Auf den Einspruch des Betroffenen sprach das Amtsgericht Bielefeld den Betroffenen von dem erhobenen Vorwurf frei. Die gegen die erstinstanzliche Entscheidung von der Staatsanwaltschaft Bielefeld erhobene Rechtsbeschwerde ist nach der Entscheidung des 3. Senats für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm erfolglos geblieben.

Der Betroffene habe sich nicht ordnungswidrig verhalten, weil er die Arbeitszeiten seines Arbeitsnehmers seit dem 01.01.2015 nicht aufgezeichnet hat. Die in Betracht kommende Bußgeldvorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 8 AEntG in Verbindung mit § 19 Abs. 1 Satz 1 oder 2 AEntG sei nach der Ansicht des OLG Hamm auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden. § 19 Abs. 1 Satz 1 AEntG regele die Pflicht des Arbeitgebers, Aufzeichnungen über die tägliche Arbeitszeit zu erstellen und bereitzuhalten. Die Aufzeichnungspflicht des § 19 Abs. 1 AEntG bestehe, soweit auf das Arbeitsverhältnis Rechtsnormen eines für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrages oder einer entsprechenden Rechtsverordnung über die Zahlung von Mindestentgelt, die Einziehung von Sozialkassenbeiträgen oder über Urlaubsansprüche anzuwenden seien. Das sei vorliegend zwar der Fall. Allerdings sei der Anwendungsbereich des §19 Abs. 1 AEntG beschränkt. Die Regelung gelte nur für die in § 4 Abs.1 Nr.1 AEntG ausdrücklich bezeichneten Branchen des Bauhaupt- und des Baunebengewerbes. Den Bereich der Landwirtschaft führe das Gesetz in diesem Zusammenhang nicht auf, so dass es nach seinem Wortlaut keine Aufzeichnungspflicht für den Betrieb des Betroffenen begründe.
(Pressemitteilung des OLG Hamm vom 03.11.2016)

Die Argumentation des OLG Hamm in der Pressemitteilung überzeugt nicht. Der zitierten Vorschrift des AEntG ist nicht ausdrücklich zu entnehmen, dass die Dokumentationspflicht nur für die in § 4 Abs.1 Nr. 1 AEntG ausdrücklich bezeichneten Branchen des Bauhaupt-und des Baunebengewerbes gilt. Die Regelung in § 19 Absatz 1 AEntG verweist nicht nur auf § 4 Abs. 1 Nr. 1, sondern auch auf allgemein verbindlich erklärte Tarifverträge und Rechtsnormen außerhalb der Baubranche. Es bleibt daher abzuwarten, ob sich aus der Beschlussbegründung weitere Argumente ergeben. Bislang kann jedenfalls nicht empfohlen werden, die Dokumentation der Arbeitszeit einzustellen. Andere Gerichte sind an die Entscheidung des OLG Hamm nicht gebunden.