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Aktuelles

20.10.2022

Aktuelles zum Zusatzurlaub für Schwerbehinderte

Schwerbehinderte Arbeitnehmer haben gemäß § 208 SGB IX Anspruch auf bezahlten zusätzlichen Urlaub von fünf Arbeitstagen im Urlaubsjahr. Verteilt sich die regelmäßige Arbeitszeit des schwerbehinderten Menschen auf mehr oder weniger als fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche, erhöht oder vermindert sich der Zusatzurlaub entsprechend. Besteht die Schwerbehinderteneigenschaft nicht während des gesamten Kalenderjahres, so hat der schwerbehinderte Mensch für jeden vollen Monat der vorliegenden Schwerbehinderteneigenschaft Anspruch auf 1/12 des Zusatzurlaubs, wobei Bruchteile, die mindestens einen halben Tag ergeben, auf volle Urlaubstage aufzurunden sind.


Wird die Schwerbehinderung rückwirkend durch einen entsprechenden Bescheid festgestellt, besteht auch der Anspruch auf den Zusatzurlaub rückwirkend. Dies kann für Arbeitgeber zu der problematischen Situation führen, dass rückwirkend zusätzliche Urlaubsansprüche von Arbeitnehmern entstehen.


Das BAG hat nun in einer Entscheidung vom 26.04.2022 (Az.: 9 AZR 367/21) festgestellt, dass der Anspruch auf Zusatzurlaub mit Ablauf des Urlaubsjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums verfällt, wenn der Arbeitgeber keine Kenntnis von der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers hatte und diese nicht offenkundig war. In diesem Fall hat der Arbeitgeber nämlich keinen Anlass, vorsorglich alle Arbeitnehmer darauf hinzuweisen, dass sie möglicherweise im Falle einer Schwerbehinderung Anspruch auf Zusatzurlaub haben könnten. Das Gleiche gilt, wenn der Arbeitnehmer einen Antrag auf Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft gestellt hat, dem Arbeitgeber dies jedoch nicht bekannt ist. Unterrichtet der Arbeitnehmer jedoch seinen Arbeitgeber über einen Antrag auf Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft, auch wenn es noch keinen Bescheid hierüber gibt, besteht für den Arbeitgeber das Risiko, dass die Schwerbehinderung rückwirkend festgestellt wird und Urlaub nachträglich zu gewähren ist. Um dies zu vermeiden, müsste der Arbeitgeber nun den Arbeitnehmer auffordern, auch den Zusatzurlaub für Schwerbehinderte zu beantragen, da dieser anderenfalls am Ende des Jahres verfallen würde.


Weist der Arbeitgeber nicht darauf hin, dass der Zusatzurlaub für Schwerbehinderte im Kalenderjahr zu nehmen ist, verfällt dieser nicht am Jahresende, und kann vom Arbeitnehmer noch später genommen werden.


Nimmt der Arbeitnehmer in dieser Schwebezeit den Zusatzurlaub und stellt das Versorgungsamt im Nachhinein fest, dass keine Schwerbehinderung vorlag, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, die erhaltene Urlaubsvergütung dem Arbeitgeber zu erstatten, da er tatsächlich keinen Anspruch auf bezahlten Zusatzurlaub für Schwerbehinderte hatte.


Gegenstand der Entscheidung des BAG war nun der besondere Fall, dass dem Arbeitgeber in 2017 bekannt war, dass der Arbeitnehmer einen Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderung gestellt hatte und dieser zurückgewiesen wurde. Der Arbeitnehmer teilte dem Arbeitgeber nicht mit, dass er hiergegen Widerspruch eingelegt hat. Aufgrund des Widerspruchs und eines Klageverfahrens wurde dem Arbeitnehmer im März 2019 rückwirkend zu August 2017 die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch zuerkannt. Dem Arbeitgeber war nur die ursprüngliche Antragstellung und Ablehnung in 2017 bekannt. Aus diesem Grund stellte das BAG fest, dass der Zusatzurlaub für 2017 nicht verfallen war.

Dem Arbeitgeber war jedoch nicht bekannt, dass in 2018 noch das Widerspruchsverfahren und das Klageverfahren liefen. Deshalb war er in 2018 nicht in der Lage, den Arbeitnehmer aufzufordern, den Zusatzurlaub zu nehmen. Der Anspruch auf Zusatzurlaub für 2018 ist daher am Ende des Urlaubsjahres verfallen.

Der Anspruch auf Zusatzurlaub für 2019 war unproblematisch, da die rückwirkende Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft im Mai 2019 erfolgte, sodass der Urlaub noch im Jahr 2019 gewährt werden konnte.


Im Ergebnis dieser Entscheidung ist Arbeitgebern zu empfehlen, die Mitarbeiter rechtzeitig vor dem Ende eines Urlaubsjahres darauf hinzuweisen, dass Urlaubsansprüche noch im Kalenderjahr zu planen und zu nehmen sind, da sie anderenfalls verfallen. Vorsorglich sollte der Arbeitgeber in diesen Hinweis auch aufnehmen, dass auch Zusatzurlaub für Schwerbehinderte am Ende des Kalenderjahres verfällt. Unterlässt der Arbeitgeber diesen Hinweis, besteht die Gefahr, dass Arbeitnehmer Urlaubsansprüche noch in den Folgejahren geltend machen können.


Arbeitnehmern ist zu empfehlen, den Arbeitgeber über einen Antrag auf Feststellung einer Schwerbehinderteneigenschaft zu informieren, wenn sie den Anspruch auf Zusatzurlaub geltend machen wollen. Im Falle einer Ablehnung des Schwerbehindertenantrages und während eines Widerspruchs- oder Klageverfahrens sollte der Arbeitgeber zumindest jährlich über den aktuellen Stand des Verfahrens informiert werden, damit bei einer positiven Entscheidung Urlaubsansprüche auch rückwirkend geltend gemacht werden können. Dieser rückwirkende Urlaubsanspruch besteht allerdings nur dann, wenn der Arbeitgeber entsprechend der obigen Empfehlung die Arbeitnehmer nicht auf den Verfall möglicher Urlaubsansprüche hingewiesen hat.


Diese Entscheidung reiht sich in die aktuelle Rechtsprechung des BAG ein und zeigt noch einmal, wie wichtig es für Arbeitgeber ist, jedes Jahr die Arbeitnehmer rechtzeitig auf den drohenden Verfall von Urlaubsansprüchen zum Jahresende hinzuweisen.