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Aktuelles

11.12.2019

Auskunftsanspruch des Betriebsrats

Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) hat der Arbeitgeber den Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben nach dem Betriebsverfassungsgesetz rechtzeitig und umfassend zu unterrichten (allgemeiner Auskunftsanspruch). Es sind dem Betriebsrat auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen (§ 80 Abs.  2 Satz 2 BetrVG). Häufig besteht Streit darüber, wie umfassend diese Unterrichtung zu sein hat und welche Daten vom Auskunftsanspruch umfasst sind.

Das Bundesarbeitsgericht hatte am 09.04.2019 (1 ABR 51/17) darüber zu entschieden, unter welchen Voraussetzungen der Auskunftsanspruch auch personenbezogene Daten (sensible Daten im datenschutzrechtlichen Sinn; z. B. Gesundheitsdaten) umfassen kann. In dem zugrunde liegenden Rechtsstreit stritten die Beteiligten darüber, ob die Arbeitgeberin verpflichtet sei, den Betriebsrat unaufgefordert über alle ihr angezeigten Schwangerschaften unter Namensnennung zu unterrichten, auch wenn die schwangere Arbeitnehmerin der Weitergabe dieser Information an den Betriebsrat widersprochen hatte. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Anschließend hob das Bundesarbeitsgericht den Beschluss des Landesarbeitsgerichts auf und verwies die Sache an dieses zurück, da es aufgrund der bislang getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilen konnte, ob ein Anspruch besteht. Zur Begründung führt das Bundesarbeitsgericht aus, dass aus § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ein Anspruch des Betriebsrats auf Unterrichtung folge, soweit sein Auskunftsanspruch aufgabenbezogen und die vom Arbeitgeber verlangte Auskunft zur Wahrnehmung dieser Aufgabe erforderlich sei. Dies müsse der Betriebsrat darlegen. Es genüge nicht, wenn er pauschal auf seine Aufgabe zur Überwachung der zugunsten der Arbeitnehmer geltenden (Arbeitsschutz‑) Gesetze verweise. Vielmehr habe er die konkrete (Arbeitsschutz‑) Vorgabe, deren Durchführung er überwachen will und die sein Auskunftsverlangen tragen soll, ebenso aufzuzeigen wie die Gründe, warum er die erstrebte Auskunft für die Wahrnehmung dieser Aufgabe benötige. Der Vortrag des Betriebsrates in dem zugrunde liegenden Verfahren genügte diesen Anforderungen nicht.

Zudem umfasste das Verlangen des Betriebsrats die Verarbeitung von Gesundheitsdaten als eine der besonderen Kategorien personenbezogener Daten i.S.v. Art. 9 Abs. 1 Datenschutz-Grundverordnung. Aus datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten sei daher nach den Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts weitere Anspruchsvoraussetzung, dass der Betriebsrat zur Wahrung der Interessen der von der Datenverarbeitung betroffenen Arbeitnehmer angemessene und spezifische Schutzmaßnahmen treffe. Der Betriebsrat habe eine spezifische Schutzpflicht. Es sei von ihm zu gewährleisten, dass er bei der Verarbeitung sensitiver Daten – wie im Verfahren: des Namens schwangerer Arbeitnehmerinnen – das Vertraulichkeitsinteresse der Betroffenen strikt achte und Vorkehrungen treffe, die bei wertender Betrachtung den in § 22 Abs. 2 Satz 2 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) aufgelisteten Kriterien entspreche. Hierzu können nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts Maßnahmen zur Datensicherheit wie das zuverlässige Sicherstellen des Verschlusses der Daten, die Gewähr begrenzter Zugriffsmöglichkeiten oder deren Beschränkung auf einzelne Betriebsratsmitglieder sowie die Datenlöschung nach Beendigung der Überwachungsaufgabe gehören. Ein Fehlen solcher Schutzmaßnahmen oder ihre Unzulänglichkeit schließe den Anspruch aus; der bloße Umstand, dass die betroffenen Arbeitnehmerinnen der Information des Betriebsrates über ihre Schwangerschaft widersprochen haben, hingegen nicht. Im Ergebnis kann und muss der Arbeitgeber daher die Übermittlung an den Betriebsrat ablehnen, wenn er die Wahrung der datenschutzrechtlichen Vorgaben nicht gewährleistet sieht.

§ 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG enthält in seinem 2. Halbsatz zudem ein Einsichtsrecht, wonach u.a. der Betriebsausschuss berechtigt ist, in die Listen über die Bruttolöhne und ‑gehälter Einblick zu nehmen. Nach gefestigter Rechtsprechung besteht das Einsichtsrecht in die Bruttolohn- und -gehaltslisten – entgegen dem Wortlaut – auch für Betriebsräte, die keinen Betriebsausschuss oder Ausschuss bilden können (kleinere Betriebe). Das Bundesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang mit Beschluss vom 07.05.2019 (1 ABR 53/17) entschieden, dass diese Berechtigung auch nicht auf anonymisierte Bruttoentgeltlisten beschränkt sei.

Es führt dazu in den Gründen aus, dass weder die rechtlichen Wertungen, die dem Entgelttransparenzgesetz zugrunde liegen, noch datenschutzrechtliche oder grundrechtliche Erwägungen es gebieten, das Einsichtsrecht auf anonymisierte Bruttoentgeltlisten zu beschränken. Der für das Einblicksrecht notwendige Aufgabenbezug sei regelmäßig schon deshalb gegeben, weil der Betriebsrat nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG darüber zu wachen habe, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze und Tarifverträge durchgeführt werden. Hierzu gehöre auch die sich aus § 75 Abs. 1 BetrVG ergebende Verpflichtung des Arbeitgebers zur Beachtung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes. Das Bundesarbeitsgericht führt insoweit aus, dass es der Darlegung eines besonderen Anlasses für die Ausübung dieses Einsichtsrechts nicht bedürfe. Der Betriebsrat benötige die Kenntnis der effektiv gezahlten Vergütungen, um sich ein Urteil darüber bilden zu können, ob insoweit ein Zustand innerbetrieblicher Lohngerechtigkeit existiere oder nur durch eine andere betriebliche Lohngestaltung erreicht werden könne. Ein Einsichtsrecht bestehe deshalb auch dann, wenn der Betriebsrat gerade feststellen wolle, welche Arbeitnehmer Sonderzahlungen erhalten und wie hoch diese seien. Die Grenzen des Einsichtsrechts lägen dort, wo ein Beteiligungsrecht oder eine sonstige Aufgabe offensichtlich nicht in Betracht komme. Stehe dem Betriebsrat ein Anspruch nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 BetrVG zu, sei die von § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG verlangte Erforderlichkeit einer damit verbundenen Datenverarbeitung gegeben.

Der Betriebsrat könne allerdings nur Einsicht in Unterlagen verlangen, die der Arbeitgeber zumindest in Form einer elektronischen Datei tatsächlich besitze. Der Arbeitgeber sei nicht verpflichtet, nicht vorhandene Unterlagen erst zu erstellen. Ein auf Herstellung nicht existenter Listen gerichteter Anspruch des Betriebsrats lässt sich also nicht auf § 80 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 BetrVG stützen.

(Quelle: BAG, Beschluss v. 09.04.2019 – 1 ABR 51/17; BAG, Beschluss v. 07.05.2019 – 1 ABR 53/17)