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Aktuelles

30.09.2019

Betriebliche Übung - Erhöhung eines übertariflichen Gehaltsbestandteils und Gehaltserhöhung bei AT-Angestellten

Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Will der Arbeitgeber das Entstehen einer betrieblichen Übung verhindern, muss er bei oder im Zusammenhang mit der Gewährung einer Leistung den Beschäftigten klar und verständlich deutlich machen, er wolle sich für die Zukunft nicht binden. So der Grundsatz.

Das Bundesarbeitsgericht weicht von diesem Grundsatz ab, wenn der Arbeitgeber freiwillig – und also ohne rechtliche Verpflichtung aufgrund von Tarifgebundenheit – die Entgelte der Beschäftigten entsprechend der Tarifentwicklung in einem bestimmten Tarifgebiet anhebt. So verdeutliche die fehlende Tarifgebundenheit des Arbeitgebers dessen Willen, die Erhöhung der Löhne und Gehälter zukünftig nicht ohne Beitrittsprüfung entsprechend der Tarifentwicklung vorzunehmen. In diesem Fall müssen für das Entstehen einer betrieblichen Übung deutliche Anhaltspunkte in dem Verhalten des Arbeitgebers dafür sprechen, dieser wolle die Erhöhungen künftig und also auf Dauer übernehmen. Auch ein außertariflicher Angestellter (AT-Angestellter), der aufgrund seiner Tätigkeit (Aufgaben- und Verantwortungsbereich mit höheren Anforderungen) und/oder seiner Vergütungshöhe (eine über die höchste tarifliche Vergütungsgruppe hinausgehende Vergütung) nicht mehr unter den persönlichen Geltungsbereich des einschlägigen Tarifvertrags fällt, muss grundsätzlich davon ausgehen, dass sich der Arbeitgeber seine Entscheidungsfreiheit für die künftige Gehaltsentwicklung erhalten will. Dies ist Ausdruck der Besonderheit, ein solches Arbeitsverhältnis auf eine vom Tarifvertrag losgelöste Grundlage zu stellen.

Das Bundesarbeitsgericht hatte nun in drei Entscheidungen zu den vorstehenden Problemkreisen zu entscheiden. In den zugrundeliegenden Fällen richteten sich die Arbeitsverhältnisse nach dem Tarifvertrag für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken. Die Arbeitgeberin ergänzte das tarifliche Eingruppierungssystem und fügte als „Haustarif“ übertarifliche (Steigerungs-)Stufen und für „leitende Mitarbeiter“ sog. außertarifliche Stufen hinzu. Anlässlich der „Überleitung“ der Arbeitsverhältnisse von einem Eigenbetrieb zu einer Anstalt des öffentlichen Rechts wurde durch die Arbeitgeberin eine dynamische Besitzstandswahrung beschlossen, wonach zukünftige Änderungen im Bankentarifvertrag auch weiterhin für alle gelten sollten. In zwei Verfahren wurde den Klageparteien im Laufe des Arbeitsverhältnisses die Aufgabe als Abteilungsleiter übertragen. Beide wurden zugleich einer sog. „AT-Stufe“ des „Haustarifs“ zugeordnet. Bis 2016 hat die Beklagte (bzw. ihre Rechtsvorgängerinnen) die Gehälter der Beschäftigen insgesamt, das heißt einschließlich der übertariflichen und außertariflichen Stufe, entsprechend den Tariferhöhungen im Bankgewerbe gesteigert. Im Jahr 2016 teilte die Beklagte den Klägern mit, die Tariferhöhung von 1,5 % werde nicht an AT-Mitarbeiter weitergegeben und vollständig auf den übertariflichen Anteil der übertariflichen Gehälter angerechnet. Dagegen wandten sich die Kläger, deren Klagen in den Vorinstanzen erfolglos waren. Die Rechtsmittel vor dem Bundesarbeitsgericht hatten Erfolg.

Das Bundesarbeitsgericht führt in den jeweiligen Gründen aus, dass die Kläger einen Anspruch auf Gehaltserhöhung aus betrieblicher Übung haben. So bestehen in den zugrunde liegenden Fällen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sich aus verständiger Sicht der Kläger die Beklagte ihnen gegenüber verpflichten wollte, auch in Zukunft ihre Gehälter entsprechend der Tarifsteigerungen zu erhöhen.

Zum einen habe sich die Beklagte durch die dynamische Bezugnahmeklausel vertraglich gebunden. Ferner habe sie seit jeher ein höheres Entgelt gezahlt, als sie aufgrund der Inbezugnahme verpflichtet gewesen wäre. Sie habe durch die selbst geschaffenen „übertariflichen Stufen“ den zusätzlich gewährten übertariflichen Entgeltbestandteil in gleicher Weise wie den tariflichen erhöht. Durch die jahrelang wiederholte Erhöhung des übertariflichen Entgeltbestandteils ist eine betriebliche Übung entstanden. Für die betroffenen Beschäftigten fehle jeglicher Anhaltspunkt für die Annahme, die Arbeitgeberin wolle bei jeder Tariferhöhung neu darüber entscheiden, ob sie auch einen – gedachten – übertariflichen Gehaltsanteil anhebt.

Ähnlich hat das Bundesarbeitsgericht auch in den Parallelverfahren entschieden: Mit der Erlangung des AT-Status habe sich an der betrieblichen Übung nichts geändert. Die Kläger seien zunächst ohne AT-Status eingestellt worden, erst durch die Übertragung neuer Aufgaben haben sie den AT-Status erlangt. Mit den AT-Angestellten habe die Beklagte weder Gehälter noch Gehaltssteigerungen ausgehandelt. Vielmehr habe sie die sich aus dem selbst geschaffenen Vergütungssystem ergebenden Gehälter über Jahre hinweg unterschiedslos entsprechend der Tariflohnerhöhungen prozentual gesteigert und die sich rechnerisch ergebenden, angepassten Entgelte in Gehaltstabellen ausgewiesen.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände konnten die Kläger berechtigterweise annehmen, in Bezug auf ihre weitere Gehaltsentwicklung gäbe es keine Veränderung, sondern es bleibe bei der für die Tarifangestellten bestehenden betrieblichen Übung der Erhöhung des Gehalts im Umfang der tariflichen Gehaltssteigerung.

(Quelle: BAG, Urteil v. 19.09.2018 – 5 AZR 439/17; BAG, Urteile v. 27.02.2019 – 5 AZR 354/18 und 5 AZR 361/18)