Mit seinem Urteil vom 16.11.2022 (Az.: II R 39/20) hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass der bewertungsrechtliche Begriff „Betrieb der Land- und Forstwirtschaft“ tätigkeitsbezogen auszulegen ist. Entscheidend sei, ob der Erblasser bzw. Schenker selbst einer landwirtschaftlichen Tätigkeit nachgegangen ist. War der Erblasser bzw. Schenker lediglich zivilrechtlicher Eigentümer landwirtschaftlicher Nutzflächen und hat er diese einem Landwirt verpachtet, so bilden nach Ansicht des BFH die landwirtschaftlichen Nutzflächen kein nach § 13 b Abs. 1 Nr. 1 ErbStG privilegiertes Vermögen. Ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft liege mangels wirtschaftlicher Tätigkeit des Erblassers bzw. Schenkers nämlich nicht vor.
Die obersten Finanzbehörden der Länder haben mit Schreiben vom 19.02.2024 (BStBl 2024 I S. 380) entschieden, dass das Urteil des BFH über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht durch die Finanzverwaltung angewendet werden soll. Die Länder heben hierbei hervor, dass aus ihrer Sicht bei der bloßen Verpachtung landwirtschaftlicher Nutzflächen zwei wirtschaftliche Einheiten des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens vorliegen: Beim Eigentümer des Grund und Bodens folge dies daraus, dass der Pächter den Grund und Boden land- und forstwirtschaftlich bewirtschafte. Beim Pächter folge dies aus der von ihm ausgeübten landwirtschaftlichen Tätigkeit.
Daraus folgt: Verpachtet ein Eigentümer landwirtschaftliche Nutzflächen, ohne selbst landwirtschaftlich tätig zu sein, seine Flächen an einen Landwirt, können diese Flächen nach § 13 b Abs. 1 Nr. 1 ErbStG privilegiertes Vermögen darstellen. Entscheidend ist nur, dass die restliche Pachtdauer weniger als 15 Jahre beträgt. Dann bilden die Flächen eine eigene wirtschaftliche Einheit des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens. Beträgt die Restnutzungsdauer mehr als 15 Jahre, liegen sogenannte Stückländereien vor. Diese sind erbschaftsteuerrechtlich nicht als privilegiertes Vermögen anzusehen (vgl. § 13b Abs. 1 Nr. 1 ErbStG).
Das Urteil des Bundesfinanzhofes hat in der Praxis für viel Aufsehen gesorgt. Durch den gemeinsamen Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder besteht nunmehr vorerst Klarheit darüber, dass eine erbschaftsteuerrechtliche Privilegierung landwirtschaftlicher Nutzflächen aus Sicht der Finanzverwaltung auch dann in Betracht kommt, wenn der Eigentümer selbst keinen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft unterhält. Damit sollte Streitfällen mit der Finanzverwaltung vorgebeugt sein.
Gleichwohl gilt es Folgendes zu beachten: Kommt es zu einem gerichtlichen Verfahren, sind die Finanzgerichte nicht an die verwaltungsinternen Vorgaben der obersten Finanzbehörden der Länder, sondern ausschließlich an die Steuergesetze gebunden. Im Streitfall können die Gerichte daher weiterhin die Ansicht des BFH zugrunde legen.