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Aktuelles

26.08.2022

Entwurf einer Europäischen Pflanzenschutzverordnung

In diesem Beitrag informieren wir Sie über den aktuellen Entwurf einer Pflanzenschutzmittel-Verordnung der EU-Kommission vom 22.06.2022 (im Folgenden: E-PflSchVO). Das Ziel der E-PflSchVO ist, die Verwendung von chemischen Pflanzenschutzmitteln in der EU bis 2030 um 50 % zu reduzieren. Zugleich soll der Entwurf das Erreichen eines Anteils von mindestens 25 % ökologischer Landwirtschaft bis 2030 unterstützen und die Bedingungen in den Mitgliedsstaaten angleichen.

Der Entwurf enthält eine Vielzahl von Regelungen zur allgemeinen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln, zu Bußgeldtatbeständen, zu umfangreichen Dokumentationspflichten und zur Aufstellung von nationalen Aktionsplänen für die Reduzierung des Einsatzes. Diese müssen zum Teil noch durch die Mitgliedsstaaten ausgestaltet werden. Absehbar ist bereits jetzt, dass der Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel gewissermaßen als letztes Mittel vorgesehen ist und alle anderen Möglichkeiten vorher auszuschöpfen sind.

Wir beschränken uns für die folgende Information auf die Darstellung der Regelungen in den sog. empfindlichen Gebieten, da dort mit dem Inkrafttreten der Verordnung ein unmittelbares Anwendungsverbot für sämtliche Pflanzenschutzmittel gelten soll. Für die Verbindlichkeit dieses Verbots bedarf es keiner weiteren Tätigkeit der Bundesrepublik Deutschland. Das Verbot ist mit dem Inkrafttreten der Verordnung für alle Pflanzenschutzmittelanwender rechtsverbindlich. Der räumliche Anwendungsbereich des Verbots in den empfindlichen Gebieten ist erheblich: Er umfasst Stilllegungsflächen. Daneben sind voraussichtlich die Flächen betroffen in

  • Wasserschutzgebieten,
  • Europäischen Schutzgebieten (Gebiete von Gemeinschaftlicher Bedeutung [ehemals: FFH-Gebiete] sowie Europäische Vogelschutzgebiete [SPA]) und
  • alle sonstigen nationalen, regionalen oder lokalen Schutzgebiete, die von den Mitgliedstaaten an das Verzeichnis der nationalen Schutzgebiete (CDDA) gemeldet wurden, wozu nach unserer Recherche sämtliche Landschaftsschutzgebiete und Naturschutzgebiete zählen.

Wichtig ist, dass das Anwendungsverbot allein an die Schutzgebietskulissen anknüpft. Es kommt hier für die Geltung des umfassenden Anwendungsverbots nicht darauf an, ob die Schutzgebietsverordnungen ebenfalls die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln vorsehen. Damit gilt das Anwendungsverbot auch in den Schutzzonen IIIa/IIIb von Wasserschutzgebieten, obwohl die einschlägige Schutzgebietsverordnung kein Pflanzenschutzmittelanwendungsverbot vorsieht. In den Europäischen Schutzgebieten gilt das Anwendungsverbot ebenfalls, auch wenn hier keine Lebensraumtypen und Arten auf den landwirtschaftlichen Flächen vorhanden sind, für deren Entwicklung die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln relevant ist. In den Landschaftsschutzgebieten und Naturschutzgebieten würde das Anwendungsverbot selbst dann gelten, wenn die Schutzgebietsverordnungen die konventionelle Landwirtschaft unter der Maßgabe erlaubt, dass die gute fachliche Praxis eingehalten wird.

Der Verordnungsentwurf sieht nur ganz eingeschränkte Ausnahmemöglichkeiten für das Anwendungsverbot von Pflanzenschutzmitteln in den empfindlichen Gebieten vor. Die Mitgliedsstaaten dürfen Ausnahmegenehmigungen für höchstens 60 Tage erteilen, wenn (1) ein beweisbar ernstes und außergewöhnliches Risiko der Ausbreitung eines Quarantäneschädlings oder einer invasiven Art besteht und (2) kein technisch machbares, alternatives Bekämpfungsverfahren mit geringerem Risiko zur Eindämmung besteht.

Das Verordnungsverfahren befindet sich in einem frühen Stadium. Der o. a. Entwurf wird dem EU-Parlament zur ersten Lesung weitergeleitet. Ist diese abgeschlossen, wird der Entwurf samt Stellungnahme des Parlaments an den Rat der Europäischen Union weitergeleitet. Stimmt dieser dem Entwurf zu, tritt die Verordnung nach Veröffentlichung in Kraft. Stimmt dieser nicht zu, wird durch weitere Lesungen und ggf. die Einleitung eines Vermittlungsverfahrens ein Kompromiss angestrebt. Da die Verordnung der Verfolgung von Reduktionszielen bis 2030 dient, ist aus unserer Sicht mit einem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens im kommenden oder dem folgenden Jahr zu rechnen.

Die geplante Verordnung wäre in Deutschland unmittelbar geltendes Recht. Das oben vorgestellte Anwendungsverbot gilt, ohne dass es einer Bundes- oder Landesregelung für seine Rechtsverbindlichkeit bedarf. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesverfassungsgerichts ist die Rechtmäßigkeit der Verordnung, u. a. des Pflanzenschutzmittelanwendungsverbots in den empfindlichen Gebieten, ausschließlich am europäischen Recht zu messen. Um die Regelung unmittelbar anzugreifen, bedarf es einer sog. Individualnichtigkeitsklage beim EuGH. Für die fristgerechte Erhebung gelten kurze Fristen. Die Klage kann nur innerhalb von zwei Monaten nach Kenntnisnahme von der Regelung erhoben werden.

Sollten im Rahmen des Vollzugs der Verordnung durch die nationalen Behörden Verfügungen oder Bußgeldbescheide ergehen, kann ein angerufenes deutsches Gericht die Norm im Wege der sog. Vorabentscheidung dem EuGH vorlegen. Hierfür ist allerdings zwingende Voraussetzung, dass der Betroffene zuvor rechtzeitig die oben genannte Individualnichtigkeitsklage erhoben hat.

Wir werden den Verordnungsprozess weiter beobachten und Sie auf dem Laufenden halten, insbesondere wenn die vorgestellten Regelungen erheblich verändert werden. Sofern Sie Fragen zu unseren Ausführungen haben, kommen Sie gerne auf uns zu.

 

 

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