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Aktuelles

12.07.2021

Errichtung einer Betriebsleiterwohnung für einen landwirtschaftlichen Betrieb im Außenbereich - Urteilsanmerkung

Aufgrund des Maßstabes eines vernünftigen Landwirts, welcher das Gebot der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs berücksichtigt, ist die Errichtung einer (weiteren) Betriebsleiterwohnung für einen landwirtschaftlichen Betrieb im Außenbereich nur dann von der Privilegierung des landwirtschaftlichen Betriebes umfasst, wenn für die Errichtung des Wohnhauses ein konkreter Bedarf besteht. Ein konkreter Bedarf besteht nicht, wenn auf der Hofstelle bereits Wohnraum vorhanden ist, welcher für die Wohnbedürfnisse der Familie unter Einschluss der Altenteilergeneration ausreichend ist.

VGH München, Beschluss vom 08.10.2020, 1 ZB 17.2319


Der Sachverhalt

Der Kläger, welcher ein haupterwerblicher Landwirt ist, wollte ein weiteres Betriebsleiterwohnhaus errichten. Das Vorhabengrundstück war im Norden durch eine Ortsstraße begrenzt. Im Süden des Vorhabengrundstückes befinden sich landwirtschaftliche Flächen. Im Westen wird das Vorhabengrundstück durch einen Feldweg begrenzt, an welchen sich ein Grundstück anschließt, auf welches sich zwei große landwirtschaftliche Hallen des Klägers befinden. Entscheidend ist aber folgender Punkt: Ferner grenzt nordöstlich ein Grundstück mit dem Wohngebäude des Landwirtes an das Vorhabengrundstück. In dem Wohngebäude lebt der Landwirt mit seiner Frau, seinen drei Kindern, seinen beiden Eltern und seiner Tante zusammen. Das Wohngebäude weist ca. eine Grundfläche von 160 m² auf und besteht aus einem Erd-, einem weiteren Geschoss und einem Dachgeschoss.

 

Der Beschluss

Das VG München hatte mit dem Urteil vom 13.07.2017, M 11 K 15.5811, entschieden, dass die beantragte Baugenehmigung nicht erteilt wird. Der VGH München hat dieses Urteil aufrechterhalten, indem es den Antrag auf Zulassung der Berufung im Sinne von § 124a Abs. 4 VwGO abgelehnt hat.

Zunächst hat der VGH München bestätigt, dass das Vorhaben nicht im Innenbereich im Sinne von § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB liege. Denn es fehle an einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil. Damit ein Bebauungszusammenhang gemäß § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB angenommen werden könne, müsse die aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermitteln und die zur Bebauung vorgesehene Fläche (noch) diesem Zusammenhang angehören. Ferner sei Bebauung im Sinne von § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB nicht jede beliebige Anlage. Die Bauwerke müssen optisch wahrnehmbar sein, ein gewisses Gewicht haben und insbesondere dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen. Die gewerblich genutzten Gebäude würden einen Bebauungszusammenhang im Sinne dieser Voraussetzungen nicht vermitteln.

Darüber hinaus seien die Voraussetzungen von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ebenfalls nicht erfüllt. Das beantragte Betriebsleiterwohnhaus sei nicht dienlich i. S. d. § 35 Abs. 1
Nr. 1 BauGB. Nach der Ansicht des VGH München (und der weiteren ständigen Rechtsprechung) könne zwar nicht verlangt werden, dass die Vorhaben immer für den Betrieb schlechthin unentbehrlich seien, die bloße Förderlichkeit des Vorhabens nach den Vorstellungen des Betriebsinhabers sei allerdings ebenfalls nicht ausreichend. Es komme entscheidend darauf an, ob ein vernünftiger Landwirt unter Berücksichtigung des Gebotes größtmöglicher Schonung des Außenbereichs das Bauvorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde. Die Funktion des Tatbestandsmerkmales „Dienen“ solle vor allem missbräuchliche Vorhaben, also solche Vorhaben, die lediglich einen Privilegierungstatbestand vortäuschen, um den Außenbereich unzulässigerweise bebauen zu können, verhindern. Die wirkliche Funktion des Vorhabens und die tatsächliche funktionale Beziehung zum privilegierten Betrieb sei entscheidend. Insoweit komme es maßgeblich auf die objektiven Gegebenheiten an. Ein objektiv-konkreter Bedarf bestehe nicht, wenn auf der Hofstelle Wohnraum vorhanden ist, welcher die Wohnbedürfnisse der Familie (inklusive der Altenteilergeneration) erfülle.

Der Wohnbedarf des Landwirtes und seiner Familie sei mit dem vorliegenden Wohnhaus erfüllt. So habe nur ein weiteres Kinderzimmer gefehlt, da eine Tochter des Klägers aber bereits 23 Jahre alt sei, bestünde nur noch vorübergehender Wohnbedarf. Darüber hinaus seien zunächst Ausbau- bzw. Erweiterungsmöglichkeiten im bestehenden Wohngebäude/Bestand zu prüfen, welche im vorliegenden Fall wohl auch umsetzbar seien. Ein vernünftiger Landwirt baue nicht ein Betriebsleiter-wohnhaus in den Außenbereich, wenn bereits sein bisheriges und wohnraumtechnisch ausreichendes Betriebsleiterwohnhaus unmittelbar an der Hofstelle gelegen sei.

 

Der VGH München entschied ferner, dass das Betriebsleiterwohnhaus auch nicht nach § 35 Abs. 2 BauGB zulässig errichtet werden könne, da die Errichtung des Betriebsleiterwohnhauses u. a. die Erweiterung einer Splittersiedlung gemäß § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 BauGB befürchten lasse. Der entgegenstehende öffentliche Belang der Erweiterung einer Splittersiedlung setze zwar nicht voraus, dass als Folge der Zulassung eines sonstigen Vorhabens ein uneingeschränkter Rechtsanspruch auf Zulassung weiterer Vorhaben entstehe. Nach der Ansicht des VGH München sei es allerdings bereits ausreichend, dass von dem Bauvorhaben eine nicht zu übersehende Vorbildwirkung ausgehen könne und damit Gründe, welche weiteren Bauvorhaben entgegengehalten werden könnten, weniger überzeugend seien. Dies sei der Fall gewesen. Planungsrechtlich gewollt, sei die Ausweitung der Bebauung des jeweiligen im Zusammenhang bebauten Ortsteil in den Außenbereich nur auf der Grundlage eines Bebauungsplanes oder aufgrund einer Außenbereichssatzung im Sinne von § 35 Abs. 6 BauGB – jedoch sei weder ein Bebauungsplan noch eine Außenbereichssatzung beschlossen worden. Folglich sei der Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung nicht gegeben.

 

Anmerkung

von Rechtsanwalt Mathias Gärtner, Geiersberger Glas & Partner mbB, Rechtsanwälte und Fachanwälte, Rostock und Schwerin, www.geiersberger.de

Mit dem Beschluss bestätigt der VGH München die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, welche grundsätzlich hohe Hürden an die Zulässigkeit von Betriebsleiterwohn- bzw. Altenteilerhäuser stellt. Um die Errichtung eines Betriebsleiterwohnhauses im Außenbereich zu erreichen, muss der konkrete Wohnbedarf
genau aufgezeigt und belegt werden. Ein lediglich behaupteter Bedarf ohne die Darlegung von substantiierten Gründen genügt den Anforderungen der Rechtsprechung nicht (mehr).

Anerkannt in der Rechtsprechung war es bisher bereits, dass zunächst zu prüfen ist, ob der Wohnbedarf nicht bereits innerhalb der bestehenden Wohnbebauung erfüllt werden kann. Hinzugekommen durch die Rechtsprechung des VGH München ist die Prüfungsvoraussetzung, ob nicht auch Ausbau- bzw. Erweiterungsmöglichkeiten bestehen. Diese Anforderung wurde bisher zumindest teilweise durch die Literatur abgelehnt (siehe Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Werkstand: 140. EL Oktober 2020, § 35 BauGB Rn. 42). Die Ansprüche der Rechtsprechung, um Betriebsleiterwohn- bzw. Altenteilerhäuser zu privilegieren, wurden also nicht gesenkt. Das Argument des VGH München, dass durch den Ausbau/die Erweiterung eines bestehenden Gebäudes der Außenbereich geschont wird, ist natürlich zunächst nicht von Hand zu weisen. Allerdings soll die Nachverdichtung eher den Innenstädten helfen, die Wohnungsnot zu lindern (siehe u. a. § 13a Abs. 1 S. 1 BauGB), sodass es zumindest fraglich erscheint, ob eine (generelle) Ausbau-/Erweiterungspflicht auch für den Außenbereich sinnvoll/erforderlich ist. Insbesondere da die Nachverdichtung auch Nachteile mit sich führen kann. Dementsprechend fordert Söfker auch, dass die Zulässigkeit eines Betriebsleiterwohnhauses nur mit der Auflage verbunden werden kann, ein bestehendes Wohngebäude auszubauen/zu weitern, wenn dies einerseits die Nutzungs- und Gebäudestruktur zulässt und andererseits überwiegende öffentliche Belange dies erfordern (siehe Söfker, a. a. O.).

Der VGH München äußert sich in dem Beschluss nicht mehr zur Größe des Wohnbedarfes (und den weiteren Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB) für das Betriebsleiterwohnhaus, da er bereits vorher den Anspruch des Klägers verneint. Auch insoweit gilt der Maßstab des vernünftigen Landwirtes, welcher den Außenbereich größtmöglich schonen will. Den Wohnbedarf eines allein stehenden Betriebsleiters betrachtet die Rechtsprechung bei ca. 60 m² als ausreichend (VGH München, Beschluss vom 02.12.2015, 1 ZB 14.1445, juris Rn. 6).  Für eine drei- bis vierköpfige Familie sollen rund 100 m² ausreichend sein (VGH München, Beschluss vom 02.12.2015, 1 ZB 14.1445, juris Rn. 6). Bei der Errichtung eines Altenteilerhauses für zwei Personen hat das VG München ebenfalls eine Wohnfläche von bis zu 100 m² als verkehrsüblich und damit genehmigungsfähig angesehen (VG München, Urteil vom 09.05.2018, M 9 K 16.4267, juris Rn. 17). Das VG Osnabrück hat hingegen noch eine Wohnfläche von 132 m² als nicht übermäßig groß betrachtet (VG Osnabrück, Urteil vom 27.04.2015, 2 A 1282/12, juris Rn. 28). Es besteht insoweit also eine vielfältige Kasuistik, welche nicht immer ganz stringent erscheint. Wird eine nicht verkehrsübliche Wohnfläche im Bauantrag ausgewiesen, wird die Baugenehmigung nicht erteilt. Als Orientierungsmöglichkeit können zumindest die Wohnflächengrenzen gemäß § 39 II. WoBauG dienen, auch wenn § 39 II. WoBauG außer Kraft getreten ist.

 

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