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Aktuelles

18.10.2021

Erschütterung des Beweiswertes einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses gilt grundsätzlich: „Ohne Arbeit kein Lohn“. Dieser Grundsatz wird u.a. durch den in § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz geregelten Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durchbrochen. In dessen Absatz 1, Satz 1, heißt es: 


„Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von 6 Wochen.“


Dass eine solche krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vorliegt, kann der Arbeitnehmer / die Arbeitnehmerin grundsätzlich durch die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachweisen. Es gibt jedoch bestimmte Konstellationen, in denen die Vermutung naheliegt, dass der Arbeitnehmer / die Arbeitnehmerin die Arbeitsunfähigkeit selbst verschuldet hat oder aber dass eine vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit vorliegt.

 

Über Letzteres hatte jüngst das Bundesarbeitsgericht zu entscheiden. In dem zugrundeliegenden Sachverhalt hatte die dortige Arbeitnehmerin ihr Arbeitsverhältnis am 08.02.2019 zum 22.02.2019 gekündigt und zugleich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt, die auf den 08.02.2019 datierte und eine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist feststellte. Die Arbeitgeberin verweigerte daraufhin die Entgeltfortzahlung für diesen Zeitraum. Sie war der Ansicht, dass der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert sei, da diese genau die Restlaufzeit des Arbeitsverhältnisses nach der Eigenkündigung abdecke. Die Arbeitnehmerin wandte ein, dass sie ordnungsgemäß krankgeschrieben gewesen sei und kurz vor einem Burn-Out gestanden habe.

 

Das zuständige Arbeitsgericht sowie das Landesarbeitsgericht Niedersachen hatten der Vergütungsklage der Arbeitnehmerin stattgegeben. Die vom Bundesarbeitsgericht nachträglich zugelassene Revision der Beklagten hatte Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht führt in diesem Zusammenhang aus, dass die Arbeitnehmerin durch die Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zunächst die von ihr behauptete Arbeitsunfähigkeit dargelegt und nachgewiesen habe. Jedoch könne deren Beweiswert durch den Arbeitgeber erschüttert werden, wenn er tatsächliche Umstände darlegt und ggf. beweist, die Anlass zu ernsten Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit geben. Wenn das dem Arbeitgeber gelingt, dann müsse der jeweilige Arbeitnehmer substantiiert darlegen und beweisen, dass er arbeitsunfähig gewesen sei. Da in dem streitgegenständlichen Verfahren die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung passgenau den Zeitraum ab Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist abdeckte, bestanden ernsthafte Zweifel an der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit. Tatsächlich jedoch ist die Arbeitnehmerin dann im Weiteren ihrer Darlegungslast trotz entsprechenden Hinweises des Gerichts nicht hinreichend konkret nachgekommen. Die Klage wurde daher abgewiesen.

 

Im Ergebnis ändert dieses Urteil des Bundesarbeitsgerichts jedoch nichts an den bislang bestehenden Grundsätzen. So kann zwar im ersten Schritt die Vergütung aufgrund der Erschütterung des Beweiswertes der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einbehalten werden. Dadurch wird jedoch ein Klageverfahren der betroffenen Arbeitnehmerin / des betroffenen Arbeitnehmers provoziert. Im Rahmen eines solchen Verfahrens wird regelmäßig nach vorheriger Befreiung von der Schweigepflicht die Vernehmung des behandelnden Arztes / der behandelnden Ärztin erfolgen. Es ist sodann auch überwiegend wahrscheinlich, dass der Arzt / die Ärztin im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens seine / ihre bereits erfolgte Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bestätigt. Warum sich die Klägerin in dem Verfahren nicht darauf berufen hat bzw. keine Entbindung von der Schweigepflicht erfolgt ist, lässt sich der bislang allein vorliegenden Pressemitteilung nicht entnehmen.

 

Quelle: Pressemitteilung des BAG vom 08.09.2021 zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 08.09.2021 – 5 AZR 149/21