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Aktuelles

26.08.2022

Rote Gebiete in M-V: Aktuelle Entwicklung AVV GeA und Auswirkungen auf die Gebietsausweisung Ende 2022

Mittlerweile hat die Bundesregierung die überarbeitete Fassung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Ausweisung von mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebieten (im Folgenden: AVV GeA 2022) verabschiedet und veröffentlicht. Auf der Grundlage dieser Verwaltungsvorschrift muss die Landesregierung die Gebietskulisse der Roten Gebiete bis zum 30.11.2022 überarbeiten.

Dieser Beitrag enthält die wesentlichen Grundlagen der zu erwartenden Überarbeitung der Gebietskulisse. Er zeigt, wie sich die bisherige Kulisse voraussichtlich verändern wird. Schließlich informieren wir Sie über erste Ansatzpunkte einer kritischen Auseinandersetzung mit der zu erwartenden Gebietskulisse.

I. Zukünftige Ausweisungsgrundlagen der AVV GeA 2022

Gegenüber der Ursprungsfassung betreffen die wesentlichen Änderungen der AVV GeA 2022 die Vorgaben zur Festsetzung einer neuen Gebietskulisse:

1. Messstellennetz

Zusätzlich zu den Messstellen des Landesmessnetzes dürfen die Bundesländer wieder weitere Messstellen in das Ausweisungsmessnetz übernehmen. Dazu zählen insbesondere Messstellen von Trinkwassergewinnungsanlagen. Daneben kommen auch privat errichtete Messstellen für die Aufnahme in das Messstellennetz in Frage. Alle Messstellen müssen die (technischen) Anforderungen aus der Anlage 1 AVV GeA 2022 einhalten. Darin werden die Tauglichkeitsanforderungen an die Messstellen etwas abgesenkt. So gelten Messstellen bspw. auch dann als regelkonform, wenn sie einem älteren Stand der allgemein anerkannten Regeln der Technik genügen und dadurch keine signifikante Beeinflussung der gemessenen Nitratkonzentrationen zu erwarten ist.

Außerhalb der Aufnahme in das Ausweisungsmessnetz kann die Landesregierung Zusatzmessstellen für die Abgrenzung von nitratunbelasteten Gebieten nutzen. Diese Zusatzmessstellen müssen nicht die Anforderungen erfüllen, die für die Messstellen des Ausweisungsmessnetzes gelten (siehe oben). Neben einer vorliegenden Mindestdokumentation der Messstelle muss eine qualitätsgesicherte Probenahme möglich sein.

2. Methodik zur Ermittlung der nitratbelasteten Flächen

Die AVV GeA 2022 enthält umfangreiche Änderungen der Vorgaben für die Methodik, die für die Ermittlung der nitratbelasteten Flächen zu nutzen ist.

a)    Unbelastete Messstellen können als mit Nitrat belastete Messstellen gelten

Künftig können auch Messstellen als mit Nitrat belastet gelten, obwohl die Messwerte unterhalb von 37,5 m/l liegen und kein steigender Trend nachgewiesen wird. Denn die Bundesländer sollen bei der Ermittlung belasteter Messstellen sog. denitrifizierende Verhältnisse berücksichtigen. Das bedeutet Folgendes: Wenn im Boden nitratabbauende Verhältnisse vorliegen, soll über eine Rückrechnung ermittelt werden, ob die eigentlich unbelastete Messstelle als belastet gelten muss. Denitrifizierende Verhältnisse liegen nach der Vorstellung der Bundesregierung überall dort vor, wo die natürlichen Bedingungen für die nitratabbauenden chemischen Prozesse gegeben sind. Das soll insbesondere der Fall sein, wenn sauerstoffarme Verhältnisse vorhanden sind und die Abbauprodukte der Denitrifikationsprozesse im Grundwasser gefunden werden, z. B. Eisen(II) oder Sulfat.

Nach der Denitrifikationsbetrachtung ist eine Messstelle belastet, wenn die Rückrechnung ergibt, dass ohne die ermittelten denitrifizierenden Verhältnisse der Nitrat-Schwellenwert von 50 mg/l oder ein steigender Trend und eine Mindestkonzentration von 37,5 mg/l Nitrat nachgewiesen worden wären. Die Rückrechnung hat nach der besten verfügbaren Methode gem. der Grundwasserverordnung zu erfolgen. Der aktuelle Entwurf für eine Änderung der Grundwasserverordnung wiederholt diese Formulierung; aus der Begründung geht hervor, dass als beste verfügbare Methode (derzeit) die sog. N2/Ar-Methode gelten soll. Die Methode wurde bereits in Schleswig-Holstein und Niedersachsen angewendet, um für die Grundwasserbetrachtung nach der Wasserrahmenrichtlinie eine Nitratbelastung von Messstellen nachzuweisen, in denen die Messwerte unauffällig sind.

b)    Keine Herausnahme von Flächen aufgrund einer emissionsbasierten Betrachtung

Zukünftig wird die Ausweisung allein auf den gemessenen Nitratbelastungen (ggf. zuzüglich eines Denitrifikationswertes) und den daran anknüpfend identifizierten belasteten und unbelasteten Bereichen eines Grundwasserkörpers beruhen. Die bisher bekannten Schritte zur Betrachtung des Stickstoffausstoßes und der Abbautoleranz im Boden entfallen ersatzlos. Die Herausnahme von Flächen aus dieser Kulisse über Betrachtungen, die den tatsächlichen Stickstoffeinsatz umfassen, wird es nicht mehr geben.

Es ist damit absehbar, dass die Kulisse mit den als mit nitratbelastetet geltenden Flächen größer wird. Mit anderen Worten: Die bisher in Mecklenburg-Vorpommern bekannten Polygone mit einer belasteten Messstelle werden künftig vollständig rot sein, d. h. es wird in einem solchen Polygon keine unbelasteten Flächen geben.

c)    Grundsatz: Einsatz einer Geostatistik für die Ermittlung der belasteten Flächen

Die Abgrenzung belasteter und unbelasteter Teilflächen um eine als belastet geltende Messstelle muss künftig grundsätzlich mit Hilfe eines geostatistischen Verfahrens durchgeführt werden.

Allerdings dürfen die Bundesländer längstens bis zum 31.12.2028 auf andere Verfahren zurückgreifen, insbesondere, wenn sie – wie Mecklenburg-Vorpommern –
die Anforderungen an die Messstellendichte nicht erfüllen, die die AVV GeA 2022 für geostatistische Verfahren enthält. Damit ist für weite Teile Mecklenburg-Vorpommerns die Anwendung des vielfach kritisierten Verfahrens mittels Bildung von VORONOI-Polygonen durch die Verwaltungsvorschrift legalisiert. Es wird abzuwarten sein, ob das Land in den Grundwasserkörpern, in denen ausnahmsweise die Messstellendichte ausreichend ist, tatsächlich ein geostatistisches Abgrenzungsverfahren nutzen wird.

Unabhängig davon, welches Abgrenzungsverfahren verwendet wird, sind die fachlichen Anforderungen an ihre Anwendung gesunken. Insbesondere bedarf es künftig keiner Plausibilisierung der ermittelten Ergebnisse anhand von Messstellen. Allein das gewählte Verfahren – und nicht seine konkrete Anwendung – ist grundsätzlich auf Plausibilität zu prüfen. Damit hat die Bundesregierung die Anforderung gestrichen, deren Verfehlen das OVG Greifswald zur Aufhebung der Düngelandesverordnung in Mecklenburg-Vorpommern veranlasst hat.

d)    Rettungsanker bei (gerichtlicher) Aufhebung einer Gebietskulisse

Schließlich hat die Bundesregierung in die AVV GeA 2022 eine Regelung aufgenommen, die offenbar auf die gerichtlichen Auseinandersetzungen in den Normenkontrollverfahren und einer (möglichen) gerichtlichen Aufhebung der Gebietskulissen zurückgeht: Jede Messstelle, an der eine Nitratbelastung gemessen oder über die Denitrifikationsbetrachtung ermittelt wird, muss Bestandteil der Kulisse der Roten Gebiete sein. Kann eine Landesregierung dies nicht sicherstellen,
z. B. weil die Ausweisung der Roten Gebiete gerichtlich aufgehoben wird, gilt der gesamte Grundwasserkörper als Rotes Gebiet und unterliegt den Beschränkungen für die Düngemittelanwendung.

II. Kritische Auseinandersetzung

Für die rechtssichere Umsetzung des Überarbeitungsauftrags aus der AVV GeA 2022 ist es denkbar, dass die Landesregierung die bestehende Gebietskulisse aufhebt und eine neue Düngelandesverordnung erlässt. Die neue Gebietskulisse kann weiterhin in einem Normenkontrollverfahren angegriffen werden. Die bereits rechtshängigen Normenkontrollverfahren vor dem OVG Greifswald können wohl für sämtliche Grundwasserköper fortgeführt werden.

Es ist dann die Kritik an der neuen Gebietskulisse zu erarbeiten, die gegen die Neuausweisung ins Feld geführt werden kann. Mögliche Kritikpunkte sind:

1. Messstellenkritik

Eine fehlende Tauglichkeit einer Messstelle muss zur Nichtberücksichtigung bei der Ausweisung der Roten Gebiete führen.

2. Kritik an der Messnetzdichte

Es gibt eine erhebliche Anzahl an (unbelasteten) Messstellen, mit denen das Ausweisungsmessnetz verdichtet werden kann. Die durch diese Messstellen repräsentierten Grundwasserbereiche wären bei der Ermittlung der unbelasteten landwirtschaftlichen Flächen zu berücksichtigen.

3. Denitrifikationsbetrachtung

Sehr wahrscheinlich wird die sog. N2/Ar-Methode bundesweit für die o. a. Denitrifikationsbetrachtung verwendet, wenn sie in der geänderten Grundwasserverordnung als beste verfügbare Technik eingestuft wird. Diese Methode ist fachlich nicht ohne Kritik im Hinblick auf die Belastbarkeit der Ergebnisse.

Zu prüfen ist darüber hinaus, ob eine Denitrifikationsbetrachtung überhaupt zulässig ist. Die europäische Nitrat- und die Wasserrahmenrichtlinie sehen keine Betrachtung der Sickerwasserkonzentration für die Ermittlung einer Nitratbelastung des Grundwassers vor. Diese Richtlinien beziehen ihre Forderung nach nitratmindernden Maßnahmen ausschließlich auf gemessene Stoffkonzentrationen.

Das Feststellung, dass denitrifizierende Verhältnisse im Boden vorliegen, ist im Einzelfall kritisierbar. Nicht jeder Sulfatfund im Grundwasser kann mit Vorgängen begründet werden, die diese Nitratabbauverhältnisse indizieren. Eine Überprüfung, ob tatsächlich ein Nitratabbau im Boden stattfindet, ist über die Auswertung konventioneller Messwerte wohl möglich (Kontrolluntersuchung).

4. Wahl der Abgrenzungsmethode

Die Möglichkeit des Landes die Messstellendichte in einzelnen Grundwasserkörpern mit zusätzlichen Messstellen zu erhöhen, würde einen Rückgriff auf die in Mecklenburg-Vorpommern verwendete Abgrenzungsmethode VORONOI ausschließen.

 

Wenn Sie Fragen zu unseren Ausführungen haben, wenden Sie sich gerne an uns.

 

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