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Aktuelles

15.01.2019

Vertragsrecht: BGH zu formloser Änderungsmöglichkeit eines Grundstückskaufvertrags nach der Auflassung.

Mit seinem Urteil vom 14.09.2018 – V ZR 213/17 bestätigte der Bundesgerichtshof die bereits herrschende obergerichtliche Rechtsprechung, wonach die Änderung von Grundstückskaufverträgen in bestimmten Fällen formlos möglich ist. In dem konkreten Fall verlangte die Verkäuferin einer Eigentumswohnung die Zahlung des Restkaufpreises von der Käuferin, nachdem diese nur einen geminderten Kaufpreis gezahlt hatte. Die Käuferin meinte, die Parteien hätten nach erklärter Auflassung formlos eine Vereinbarung über den Kaufpreis getroffen und sie schulde daher nur noch den geminderten Preis. Der Bundesgerichtshof gab der Käuferin Recht und entschied, dass die nachträgliche Änderung des Kaufpreises formlos möglich gewesen sei.

Grundstückskaufverträge unterliegen gemäß § 311b BGB dem Formzwang der notariellen Beurkundung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes unterliegen auch nachträgliche Änderungen grundsätzlich der Beurkundungspflicht, wobei der Bundesgerichtshof in drei Fällen Ausnahmen zulässt. Formfrei seien Änderungen dann möglich, wenn (1.) hierdurch die Veräußerungs- bzw. Erwerbspflicht weder unmittelbar noch mittelbar erweitert wird, (2.) lediglich unvorhergesehene Abwicklungsschwierigkeiten behoben werden sollen, oder (3.) die Änderung zu einem Zeitpunkt erfolgt, in welchem die Auflassung von den Parteien bereits formgerecht bindend erklärt wurde, unabhängig davon, ob diese bereits im Grundbuch vollzogen ist.

Die Beurkundungspflicht von Verträgen über Grundstücke nach § 311b Abs. 1 S. 1 BGB soll Beweis-, Warn- und Schutzfunktionen erfüllen: Zum einen soll sie den Beweis über die Art und den Inhalt der Vereinbarungen sichern, sie soll zudem den Veräußerer und den Erwerber vor übereilten Verträgen bewahren und auf die Wichtigkeit des Geschäfts hinweisen sowie ihnen durch die Mitwirkung des sachkundigen und unparteiischen Notars die Möglichkeit rechtskundiger Belehrung und Beratung gewähren. Sind die vorstehenden Zielrichtungen erreicht, sei nach Auffassung des Bundesgerichtshofes der Schutzzweck des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB erfüllt. Hiervon sei auszugehen, wenn die den Grundstücksvertrag betreffenden Erklärungen von Veräußerer und Erwerber beurkundet worden sind und diese auch die für die angestrebte Eigentumsübertragung erforderlichen (dinglichen) Erklärungen in bindender Form abgegeben haben. Das ist der Fall, wenn die Auflassung, also die formgebundene Erklärung der Parteien, dass das Eigentum übergehen soll, bindend geworden ist. Wird die Auflassung – wie üblich – zusammen mit dem Kaufvertrag beurkundet, wird sie bereits zu diesem Zeitpunkt – und somit vor ihrer Eintragung im Grundbuch bindend. Dann haben nämlich die Vertragsparteien ihre jeweiligen Leistungshandlungen unwiderruflich erbracht. Dafür mache es nach Auffassung des Bundesgerichtshofes keinen Unterschied, ob die Auflassung zusammen mit dem Kaufvertrag oder später beurkundet wird.

Zwar stehe die bindend gewordene Auflassung keiner Erfüllung der vertraglichen Pflicht gleich, jedoch sei die geschuldete Leistungshandlung unwiderruflich erbracht. Veräußerer und Erwerber hätten bereits an diesem Punkt alles getan, um den Eigentumswechsel zur Eintragung ins Grundbuch zu bringen, sodass nach Auffassung des Bundesgerichtshofes der Schutzzweck des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB als erreicht anzusehen ist. Dies führt dazu, dass weitere Vereinbarungen der Beteiligten des Grundstückskaufes von der Beurkundungspflicht ausgenommen sind, sofern durch sie nicht Erwerbs- oder Veräußerungspflichten geändert oder begründet werden (dies würde den Schutzzweck wieder aufleben lassen). In dem vorliegenden Fall, bei welchem es um die Änderung des Kaufpreises ging, sei daher die Vereinbarung nach erklärter Auflassung formlos möglich gewesen.

Der Bundesgerichtshof begründet seine Auffassung vor allem damit, dass es der Klarheit und Rechtssicherheit im Rechtsverkehr zuwider laufen würde, wenn eine Änderung des Grundstückskaufvertrages, über die sich die Beteiligten nach bindend gewordener Auflassung einigen, formbedürftig wäre. So würde ein Formmangel bei nachträglichen Änderungen eines Grundstückskaufvertrages zur Nichtigkeit des Vertrags führen, wovon grundsätzlich auch sämtliche Nebenabreden umfasst wären. Die Vermutung der Nichtigkeit des gesamten Vertrages sei zwar widerlegbar, jedoch bestünde bis zur gerichtlichen Klärung Unsicherheit über die Wirksamkeit des Grundstückskaufvertrages. Der Vertrag könnte nach Auffassung des Bundesgerichtshofes allerdings, soweit er wegen der nachträglichen Änderung insgesamt formunwirksam wäre, nicht nach § 311 b Abs. 1 S. 2 BGB geheilt werden. Hiernach wird ein formunwirksamer Vertrag seinem ganzen Inhalt nach gültig, wenn die Auflassung und die Eintragung in das Grundbuch erfolgen. Die Formnichtigkeit des Grundstückskaufvertrags umfasse zwar nicht unmittelbar die mitbeurkundete Auflassung, sodass die Heilung nach § 311 b Abs. 1 S. 2 BGB auch dann eintrete, wenn die Auflassung nicht nach den schuldrechtlich getroffenen Vereinbarungen, sondern mit ihnen zugleich beurkundet wird. Diese Wirkung habe die vor den formlosen Änderungen des Grundstückskaufvertrags erklärte Auflassung aber nicht, weil sie nicht in Erfüllung der formnichtigen Vereinbarungen erfolgt sein kann. Die heilende Wirkung von Auflassung und Eintragung erstrecke sich nur auf die Gesamtheit der vertraglichen Vereinbarungen, die bei der Auflassung Inhalt des Vertrags waren. Ändern die Beteiligten den Grundstückskaufvertrag nach bereits formwirksam erklärter Auflassung ab, würde die Auflassung sich nicht auch auf diese Änderungen des Grundstückskaufvertrages beziehen mit dem Ergebnis, dass eine Heilung nicht eintreten kann und der Grundstückskaufvertrag nichtig wäre.

Auch die heutige Vollzugspraxis führe zu keinem anderen Ergebnis, da die Parteien in Bezug auf die Eigentumsverschaffung ihre Leistungshandlungen erbracht haben. Danach wird häufig die Auflassung bereits im Grundstückskaufvertrag erklärt und der Notar als Treuhänder unwiderruflich angewiesen, die Eigentumsumschreibung erst nach erfolgter und nachgewiesener Kaufpreiszahlung zu beantragen (sog. Vorlagensperre), oder der Notar wird unwiderruflich bevollmächtigt, die Eintragungsbewilligung erst zum vorgenannten Zeitpunkt zu bewilligen (sog. Bewilligungslösung). Solche Abreden ändern, so der Bundesgerichtshof, nichts daran, dass die Auflassung ohne Vorbehalt und verbindlich erklärt wird, da sie nur so ihren Zweck, zu dem Eigentumsübergang zu führen, erfüllen könne. Insbesondere stellen Veräußerer und Erwerber ihre Einigungserklärungen nicht unter eine Bedingung, zumal dies nach § 925 Abs. 2 BGB unwirksam wäre. Es handele sich daher bei den vorstehenden Vorgehensweisen lediglich um vollzugstechnische Abreden, die gerade deshalb erforderlich seien, weil die Auflassung bindend ist.