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Aktuelles

01.08.2018

Wirksamkeit von Ausschlussfristen im Arbeitsvertrag ohne Mindestlohnregelung

Seit Inkrafttreten des MiLoG im August 2014 wurde die Frage, ob eine Ausschlussfristenregelung insgesamt unwirksam ist, wenn sie Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausdrücklich ausnimmt, von den Landesarbeitsgerichten kontrovers diskutiert. Das Landesarbeitsgericht Hamburg hatte sich in seinem Urteil vom 20.02.2018 (4 Sa 69/17) ebenfalls mit dieser Frage auseinandergesetzt und wie folgt entschieden:

Der Kläger war bei dem beklagten Arbeitgeber im Jahr 2016 als Hausmeister beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 04.03.2016 wurden auch Ausschlussfristen geregelt, wonach alle beidseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer Ausschlussfrist von 3 Monaten, nachdem der jeweilige Gläubiger Kenntnis erlangt hat oder hätte müssen, schriftlich geltend zu machen sind. Eine Ausnahme von Mindestlohnansprüchen enthielt die Ausschlussfrist nicht. Während des Arbeitsverhältnisses nahm der Kläger keinen Urlaub. Nach Ablauf der in der Ausschlussfrist geregelten Frist forderte der klagende Arbeitnehmer den Arbeitgeber schriftlich zur Urlaubsabgeltung auf. Der Arbeitgeber lehnte eine Zahlung mit Verweis auf die Ausschlussfristen ab.

In der Vorinstanz gab das Arbeitsgericht Hamburg der Klage des Arbeitnehmers statt (Urteil vom 05.05.2017 – 10 Ca 39/17). Es war der Auffassung, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers nicht verfallen ist, da die im Arbeitsvertrag enthaltene Ausschlussfrist insgesamt unwirksam ist. Die Unwirksamkeit resultiere daraus, dass die Klausel Ansprüche auf den Mindestlohn nicht vom Anwendungsbereich ausnehme. Gemäß § 3 S. 1 Mindestlohngesetz (MiLoG) sind Vereinbarungen, die den Anspruch auf den Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, insoweit unwirksam. Dies führe für die vorliegende arbeitsvertragliche Ausschlussklausel, bei der es sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 S. 1 und S. 2 BGB handele, zur vollständigen und nicht nur teilweisen Unwirksamkeit der Klausel. Die Klausel könne ihrem Wortlaut nach auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sie Ansprüche auf den Mindestlohn nicht erfasse. Schließlich komme auch eine dahingehende geltungserhaltene Reduktion, dass die Klausel nur über den Mindestlohn hinausgehende Ansprüche erfasse, nicht in Betracht. Etwas anderes folge auch nicht aus dem Wortlaut des § 3 S. 1 MiLoG, wonach Vereinbarungen, die die Geltendmachung des Mindestlohnes unterschreiten, insoweit unwirksam seien. Denn einer entsprechenden geltungserhaltenden Reduktion stehe jedenfalls das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB entgegen. Nach dieser Vorschrift könne sich die zur Unwirksamkeit einer allgemeinen Geschäftsbedingung führende unangemessene Benachteiligung aus der mangelnden Klarheit und Verständlichkeit der vertraglichen Regelung ergeben. Dieses Transparenzgebot schließe das Bestimmtheitsgebot ein. Es müssten die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Der Vertragspartner des Verwenders soll ohne fremde Hilfe Gewissheit über den Inhalt der vertraglichen Rechte und Pflichten erlangen und nicht von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten werden. Eine Klausel, die die Rechtslage unzutreffend oder missverständlich darstelle und auf diese Weise dem Verwender ermögliche, begründete Ansprüche unter Hinweis auf die in der Klausel getroffene Regelung abzuwehren, benachteilige den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen.

Gemessen an diesen Grundsätzen entschied das Arbeitsgericht Hamburg, dass die vereinbarte Ausschlussfrist wegen der Nichtherausnahme von Mindestlohnansprüchen gegen das Transparenzgebot verstößt. Sie erwecke bei dem durchschnittlichen Arbeitnehmer den Eindruck, er sei auch im Hinblick auf Ansprüche auf den Mindestlohn verpflichtet, diese binnen der vereinbarten Ausschlussfrist gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen. Es bestehe damit die Gefahr, dass der Arbeitnehmer durch diese Klausel nach Verstreichenlassen der Ausschlussfrist von der Geltendmachung von Ansprüchen abgehalten werde. Deshalb entschied das Arbeitsgericht Hamburg, dass es trotz der in § 3 S. 1 MiLoG enthaltenen Formulierung aus Gründen der Transparenz erforderlich ist, dass Mindestlohnansprüche explizit von dem Anwendungsbereich einer vertraglichen Ausschlussfrist ausgenommen werden.

Die gegen das Urteil eingelegte Berufung des beklagten Arbeitgebers hatte in der Sache keinen Erfolg. Im Gegensatz zur Begründung der Vorinstanz differenzierte das Landesarbeitsgericht Hamburg (LAG Hamburg) bei der Wirksamkeit der Vereinbarung von arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen zwischen der Zeit vor und nach dem Inkrafttreten des MiLoG am 16.08.2014. Vor Inkrafttreten des MiLoG sind in Arbeitsverträgen vereinbarte Ausschlussfristen nach Ansicht des LAG Hamburg nicht vollständig unwirksam, weil § 3 S. 1 MiLoG die Unwirksamkeit von Ausschlussfristen nur insoweit anordnet. Diese Rechtsfolge reicht nicht weiter, als sie zum Schutz des Mindestlohnanspruches erforderlich ist. Demgegenüber verstoßen Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen, die nach diesem Zeitpunkt abgeschlossen bzw. geändert wurden, gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, wenn sie den Anspruch auf den Mindestlohn nicht ausdrücklich ausnehmen, weil solche Ausschlussklauseln die Rechtslage nach Inkrafttreten des MiLoG nicht mehr zutreffend abbilden.

Da der Arbeitsvertrag des Klägers mit der vereinbarten Ausschlussfrist erst nach dem Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes geschlossen wurde, war die Ausschlussfrist insgesamt unwirksam. Eine geltungserhaltende Reduktion der Ausschlussklausel kam für das LAG Hamburg aus den genannten Gründen nicht in Betracht.

Die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen.

Während das LAG Hamburg im zitierten Urteil die Klausel dann als vollständig unwirksam erachtet, wenn die Ausschlussfristen erst nach Inkrafttreten des MiLoG vereinbart wurden, geht das LAG Nürnberg (Urteil vom 09.05.2017 – 7 Sa 560/16) nur von einer teilweisen Unwirksamkeit aus. Das LAG Nürnberg ließ wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage – im Gegensatz zum LAG Hamburg – die Revision gegen sein Urteil zu. Die erhoffte Klärung für die Praxis ist bedauerlicherweise nicht eingetreten, da die Wirksamkeit der Ausschlussfristenregelung laut Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts (Nr. 32/18; Urteil vom 20. Juni 2018 – 5 AZR 262/17) nicht entscheidungserheblich war. Gegebenenfalls lässt sich aus den Urteilsgründen – die bisher noch nicht vorliegen – eine Klärung der Frage finden.

In einer Entscheidung vom gleichen Tag (Urteil vom 20. Juni 2018 – 5 AZR 377/17) hatte sich das BAG aber zur Wirksamkeit tarifvertraglicher Ausschlussfristen positioniert. Diese sind nach Ansicht des BAG nur insoweit unwirksam, wie sie Mindestlohnansprüche umfassen. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot nach §§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB war nicht gegeben, da Tarifregelungen – anders als die Regelungen im Arbeitsvertrag – keiner Transparenzkontrolle nach § 310 Abs. 4 S. 1 BGB unterliegen.

Damit bleibt weiterhin unklar, ob Ausschlussfristenregelungen in Arbeitsverträgen, die den Mindestlohnanspruch nicht ausdrücklich ausnehmen, vollständig unwirksam sind oder nur mit der Einschränkung soweit Mindestlohnansprüche hiervon erfasst werden. Arbeitgebern ist daher weiterhin zu raten, in die Ausschlussfristen eine ausdrückliche Ausnahme der Ansprüche aus dem gesetzlichen Mindestlohn aufzunehmen, um eine Unwirksamkeit der gesamten Klausel zu verhindern. Arbeitnehmer hingegen sollten die vereinbarten Ausschlussfristen bei der Geltendmachung ihrer Ansprüche einhalten.