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Aktuelles

31.05.2018

Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von Nachzahlungszinsen

Kommt es im Anschluss an eine Außenprüfung zu einer Steuernachforderung durch das Finanzamt, so ist der Nachzahlungsbetrag zu verzinsen, vgl. § 233a Abs. 1 AO. Die Verzinsung beginnt üblicherweise 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist, und endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird. Die Höhe der monatlichen Zinsen liegt gemäß § 238 Abs. 1 S. 1 AO bei 0,5 %.

Der BFH hat in einem Verfahren zur Aussetzung der Vollziehung entsprechender Nachforderungsbescheide nunmehr durch Beschluss entschieden, dass im Hinblick auf die Zinshöhe für Verzinsungszeiträume ab dem Veranlagungsjahr 2015 schwerwiegende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von § 233a Abs. 1 AO in Verbindung mit § 238 Abs. 1 S. 1 AO bestünden. Der BFH begründet dies mit einer realitätsfernen Bemessung des Zinssatzes. Dieser überschritt den angemessenen Rahmen der wirtschaftlichen Realität erheblich, da sich seit dem Jahr 2015 ein niedriges Marktzinsniveau strukturell und nachhaltig verfestigt habe.

Das Ziel der Verzinsungspflicht, den Nutzungsvorteil des Steuerpflichtigen wenigstens zum Teil abzuschöpfen, den dieser dadurch erhalten hat, dass er während der Dauer der Nichtentrichtung der Steuer über den einbehaltenen Geldbetrag verfügen konnte, sei daher nicht erreichbar.

Es bestünden überdies schwerwiegende verfassungsrechtliche Zweifel, ob der Zinssatz dem aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Übermaßverbot entspricht, da sich die realitätsferne Bemessung der Zinshöhe in Zeiten eines strukturellen Niedrigzinsniveaus wie ein rechtsgrundloser Zuschlag auf die Steuerfestsetzung auswirke.

Der Gesetzgeber sei von Verfassungs wegen gehalten, zu überprüfen, ob die Zinshöhe vor dem Hintergrund der vorgenannten Gründe herabgesetzt werden müsse. Der BFH selbst hat hingegen keine Verwerfungskompetenz. Vielmehr ist nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, wenn das Gericht von der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes überzeugt ist. Es bleibt somit abzuwarten, ob es im Rahmen des Hauptsacheverfahrens zu einer solchen Vorlage beim Bundesverfassungsgericht kommt.

In Fällen, bei denen es ab dem Veranlagungsjahr 2015 zu einer Verzinsung von Steuernachforderungen gekommen ist, eröffnet der Beschluss des BFH allerdings die Möglichkeit, mit entsprechenden Rechtsbehelfen gegen die festgesetzte Zinshöhe vorzugehen. Für vorhergehende Verzinsungszeiträume hat der BFH mit Urteil vom 09.11.2017 – III R 10/16 jedoch entschieden, dass die Höhe der Nachforderungszisnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, sodass Rechtsbehelfe hier von vornherein ausscheiden dürften.