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Aktuelles

18.09.2018

Kündigung eines katholischen Chefarztes wegen Wiederheirat kann eine Diskriminierung wegen der Religion darstellen

Der Kläger ist Chefarzt in einem katholischen Krankenhaus. Die erste Ehefrau des Klägers trennte sich von ihm im Jahr 2005. Nach der Scheidung der ersten Ehe im Jahr 2008 heiratete der Kläger standesamtlich erneut. Nachdem der Kläger die kirchenrechtliche Annullierung der ersten Ehe beantragte, kündigte die Klinik das Arbeitsverhältnis ordentlich und mit der Begründung, er habe mit der Wiederheirat gegen Loyalitätspflichten aus dem Arbeitsverhältnis verstoßen. Gegen diese Kündigung wehrte sich der Chefarzt. Der Rechtsstreit durchlief alle Instanzen. Vor dem Arbeitsgericht, dem Landesarbeitsgericht und dem Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte der Chefarzt mit seiner Kündigungsschutzklage Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht hob die Entscheidung des BAG jedoch auf; insbesondere weil die grundgesetzlich garantierte Autonomie der Kirchen vom BAG nicht ausreichend gewürdigt wurde. In einem Vorabentscheidungsersuchen des BAG hatte nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) darüber zu entscheiden, ob es mit europäischem Recht vereinbar ist, wenn ein kirchlicher Arbeitgeber an Mitarbeiter der eigenen Kirche strengere Maßstäbe anlegt als an Andersgläubige oder Konfessionslose.

In seinem Grundsatzurteil vom 11.09.2018 (C-68/17) entschied der EuGH, dass die Kündigung des katholischen Chefarztes eine verbotene Diskriminierung darstellen kann.

Eine Kirche oder andere Organisation, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht und die eine in Form einer privatrechtlichen Kapitalgesellschaft gegründete Klinik betreibt, kann in Auslegung der Gleichbehandlungsrichtlinie 2000/78/EG (zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf) nicht beschließen, an ihre leitend tätigen Beschäftigten je nach deren Konfession oder Konfessionslosigkeit unterschiedliche Anforderungen an das loyale und aufrichtige Verhalten im Sinne dieses Ethos zu stellen, ohne dass dieser Beschluss gegebenenfalls Gegenstand einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle sein kann. Damit soll sichergestellt werden, dass die in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie genannten Kriterien erfüllt werden.

Bei Anforderungen an das loyale und aufrichtige Verhalten im Sinne des genannten Ethos steht eine Ungleichbehandlung zwischen Beschäftigten in leitender Stelle je nach deren Konfession oder Konfessionslosigkeit nur dann mit der Richtlinie im Einklang, wenn die Religion oder die Weltanschauung im Hinblick auf die Art der betreffenden beruflichen Tätigkeiten oder die Umstände ihrer Ausübung eine berufliche Anforderung ist, die angesichts des Ethos der in Rede stehenden Kirche oder Organisation wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt ist und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, was das nationale Gericht zu prüfen hat.

Nach dem EuGH erscheint die Anforderung an einen katholischen Chefarzt, den heiligen und unauflöslichen Charakter der Ehe nach dem Verständnis der katholischen Kirche zu beachten, nicht als eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung. Vor allem vor dem Hintergrund, dass die Klinik ähnliche Stellen an Beschäftigte vergeben hat, die nicht einer katholischen Konfession und damit nicht denselben Anforderungen wie der Kläger unterworfen waren.

Das Bundesarbeitsgericht hat nun zu prüfen, ob die Religion oder die Weltanschauung im Hinblick auf die Art der betreffenden beruflichen Tätigkeit oder die Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt und ob die Gefahr einer Beeinträchtigung des Ethos oder des Rechts auf Autonomie des kirchlichen Arbeitgebers wahrscheinlich und erheblich ist.