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Aktuelles

24.08.2018

Offene Videoüberwachung durch den Arbeitgeber -keine zeitlich eingeschränkte Beweisverwertung der Aufzeichnungen!

In dem vom Bundesarbeitsgericht zu entscheidenden Fall (Urteil vom 23. August 2018 - 2 AZR 133/18) ging es um die Frage, ob eine sechs Monate alte Videoaufzeichnung einer für alle sichtbaren Überwachungskamera als Beweis für die Begründung einer außerordentlich, fristlosen Kündigung im Kündigungsschutzverfahren herangezogen werden kann oder ob wegen des Zeitablaufs ein Beweisverwertungsverbot besteht.

Die Klägerin war in einem von dem Beklagten betriebenen Tabak- und Zeitschriftenhandel mit angeschlossener Lottoannahmestelle tätig. Dort hatte der Beklagte eine offene Videoüberwachung installiert, um sein Eigentum vor Straftaten sowohl von Kunden als auch von eigenen Arbeitnehmern zu schützen. Der Arbeitgeber stellte einen Fehlbestand bei den Tabakwaren fest und wertete seine Videoaufzeichnungen aus. Dabei sah sich der Arbeitgeber auch ältere Aufzeichnungen an. Nach deren Auswertung zeigte sich, dass die Klägerin bereits vor 6 Monaten an zwei Tagen vereinnahmte Gelder nicht in die Registrierkasse legte, sondern für sich behielt. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos.

Im darauffolgenden Kündigungsschutzprozess gaben die Vorinstanzen der Klage der Arbeitnehmerin statt. Aber nicht, weil die Unterschlagung des Geldes kein außerordentlicher Kündigungsgrund darstellte, sondern weil der Arbeitgeber diese nicht beweisen konnte. Die Arbeitnehmerin bestritt nämlich im Prozess eine Unterschlagung. Die Videoaufzeichnungen konnten nach Ansicht der Vorinstanzen als Beweis nicht verwertet werden. Das Landesarbeitsgericht Hamm (Urteil vom 20. Dezember 2017 - 2 Sa 192/17) war der Ansicht, dass der Arbeitgeber gar nicht berechtigt war, die Videoaufzeichnungen solange aufzubewahren. Sie hätten unverzüglich gelöscht werden müssen. Dabei berief sich das LAG Hamm auf die Vorschrift des § 6b Abs. 5 des Bundesdatenschutzgesetzes (i.d.F. vom 14.01.2003), wonach Daten einer offenen Videoüberwachung zur Wahrnehmung des Hausrechts und zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke in einem öffentlich zugänglichen Ladenlokal unverzüglich zu löschen sind, wenn sie zur Erreichung des Zwecks nicht mehr erforderlich sind oder schutzwürdige Interessen der Betroffenen einer weiteren Speicherung entgegenstehen. Da der beklagte Arbeitgeber dieser Pflicht nicht nachgekommen war und damit ein Verstoß gegen den Datenschutz vorlag, bestand wegen der Intensität der Persönlichkeitsrechtsverletzung für die Erkenntnisse aus den Videoaufzeichnungen ein Beweisverwertungsverbot.

Das Bundesarbeitsgericht sah dies etwas anders. Die Speicherung von Bildsequenzen aus einer rechtmäßigen offenen Videoüberwachung, die vorsätzliche Handlungen eines Arbeitnehmers zulasten des Eigentums des Arbeitgebers zeigen, wird nach Auffassung der Erfurter Richter nicht durch bloßen Zeitablauf unverhältnismäßig, solange die Ahndung der Pflichtverletzung durch den Arbeitgeber arbeitsrechtlich möglich ist. Soweit es sich um eine rechtmäßige offene Videoüberwachung gehandelt hat, wäre die Verarbeitung und Nutzung der einschlägigen Bildsequenzen nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG aF* zulässig gewesen und hätte dementsprechend nicht das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmerin verletzt. Der Beklagte musste das Bildmaterial nicht sofort auswerten. Er durfte hiermit solange warten, bis er dafür einen berechtigten Anlass sah (Pressemitteilung Nr. 40/18 vom 23.08.2018).

Auch die Vorschriften der seit dem 25. Mai 2018 geltenden Datenschutz-Grundverordnung stehen nach Ansicht des Bundesarbeitsgericht einer gerichtlichen Verwertung der erhobenen personenbezogenen Daten der Arbeitnehmerin im weiteren Verfahren nicht entgegen. 

*§ 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG in der bis zum 25. Mai 2018 geltenden Fassung (aF) lautet:
Personenbezogene Daten eines Beschäftigten dürfen für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist.