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Aktuelles

04.05.2021

Personengesellschaften als Organgesellschaft

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) erweitert den Anwendungsbereich einer umsatzsteuerlichen Organschaft, indem er die Anforderungen für den Fall lockert, dass als Organgesellschaft eine Personengesellschaft beteiligt ist.

Nach den bisherigen gesetzlichen Vorschriften und der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) stehen die Vorteile einer umsatzsteuerlichen Organschaft lediglich juristischen Personen und Personengesellschaften zu, deren Gesellschafter neben dem Organträger ausschließlich Personen sind, die finanziell in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sind.

Der EuGH hat mit Urteil vom 15.04.2021 – C-868/19 – nun entschieden, dass auch eine Personengesellschaft eine Organgesellschaft sein kann, unabhängig davon, ob die Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger Personen sind, die in dieses Unternehmen finanziell eingegliedert sind.

Bei einer Organschaft, hat zwingend nur der Organträger umsatzsteuerlich eine Unternehmereigenschaft. Der Organträger ist damit Steuerschuldner für alle Leistungen, die die Unternehmensteile des Organkreises gegenüber Dritten erbringen. Mithin sind die von der Organgesellschaft gegenüber Dritten ausgeführten Umsätze dem Organträger zuzurechnen.

Der EuGH hat bereits im Jahr 2015 entschieden, dass der nationalen Beschränkung der Organgesellschaft auf juristische Personen das Unionsrecht entgegensteht. Eine Ausnahme läge dann vor, wenn erforderliche Maßnahmen getroffen würden, um Steuerhinterziehungen oder –umgehungen vorzubeugen. Bei der Umsetzung dieser Rechtsprechung hat der BFH u.a. entschieden, dass grundsätzlich eine Personengesellschaft eine Organgesellschaft darstellen kann. Zu beachten sei aber, dass auch eine juristische Person nur in einen Organträger eingegliedert werden kann, wenn sie u.a. finanziell in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sei. Dafür müsse der Organträger seinen Willen bei der Organgesellschaft durchsetzen können, insbesondere durch eine Mehrheitsbeteiligung an der Gesellschaft, bei der die Beschlüsse mehrheitlich gefasst werden würden. Die Stimmrechtsverteilung und damit die finanzielle Eingliederung einer juristischen Person sei rechtssicher. Der Abschluss von Gesellschaftsverträgen bedürfe der notariellen Form und die den Gesellschaftern obliegenden Entscheidungen seien grundsätzlich mit Stimmenmehrheit zu treffen. Dagegen bestehe für den Abschluss und die Änderung der Gesellschaftsverträge von Personengesellschaften kein Formzwang. Grundsätzlich gelte das Einstimmigkeitsprinzip. Dies sei aber abdingbar und Änderungen könnten durch mündliche Vereinbarungen vorgenommen werden. Dies rufe Rechtsunsicherheiten hinsichtlich der Abstimmungsmodalitäten und damit hinsichtlich der finanziellen Eingliederung der Personengesellschaft hervor.

Aus diesem Grund wird nach nationaler Rechtsprechung bei einer Personengesellschaft als Organgesellschaft gefordert, dass Gesellschafter der betreffenden Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die finanziell in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sind, sodass die erforderliche Durchgriffsmöglichkeit selbst bei stets möglicher Anwendung des Einstimmigkeitsprinzips gewährleistet sei. Anderenfalls bringe die erschwerte Nachprüfbarkeit von Angaben eines Steuerpflichtigen die Gefahr von Falschangaben und Manipulationen mit sich.

Der EuGH führt dagegen nunmehr aus, dass es grundsätzlich zutrifft, dass die fragliche Mehrwertsteuerrichtlinie einen insofern bedingten Charakter habe, dass es einer Präzisierung auf nationaler Ebene bedürfe, die den konkreten Umfang der engen Verbindung durch finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen bestimme. Für eine einheitliche Anwendung der Richtlinie sei es jedoch wichtig, dass der Begriff der engen Verbindung durch finanzielle Beziehungen im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie autonom und einheitlich ausgelegt werde.

Insoweit sei bereits entschieden worden, dass die Mitgliedstaaten zum Nachweis des Vorliegens einer engen Verbindung durch finanzielle Beziehungen keine Kriterien heranziehen dürften, die sich ausschließlich auf bestimmte Arten juristischer Personen beziehen, da dies nicht vom Wortlaut der Regelung umfasst sei. Auch dürfe die Regelung nicht den Einheiten vorbehalten bleiben, die sich in einem Unterordnungsverhältnis zum Organträger der betreffenden Unternehmensgruppe befinden.

Der Ausschluss einer Personengesellschaft, zu deren Gesellschaftern neben dem Organträger Personen gehören, die nicht in das Unternehmen des Organträgers eingebunden sind, stelle eine zusätzliche Voraussetzung dar, die nicht von der Mehrwertsteuerrichtlinie gefordert würde. Die Mitgliedstaaten dürften sich nicht auf Besonderheiten ihres nationalen Rechts berufen, um den in der Mehrwertsteuerrichtlinie aufgestellten Voraussetzungen eine weitere hinzuzufügen. Die angeführte Rechtsunsicherheit ergebe sich nicht aus der Anwendung der Regelung über die Mehrwertsteuergruppe, sondern aus der Anwendung der Formerfordernisse, denen die Errichtung und die Änderung des Gesellschaftsvertrages von Personengesellschaften nach deutschem Recht unterliege.

Weiter erläutert der EuGH zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass eine nationale Regelung, mit der alle Personengesellschaften, zu deren Gesellschaftern natürliche Personen gehören, systematisch von den Vorteilen der Mehrwertsteuergruppe ausgeschlossen werden, über das hinausgehe, was zur Erreichung des Ziels (Rechtssicherheit) erforderlich sei. Beispielsweise könne für die Eingliederungsvoraussetzungen ein Urkundenbeweis gefordert werden oder es könnte eine Bewilligung der Bildung einer Mehrwertsteuergruppe durch die Finanzverwaltung vorausgesetzt werden. Dies würde die Nachprüfbarkeit gewährleisten und die Gefahr von Falschangaben und Manipulationen würde sich erheblich verringern.

Schließlich erklärt der EuGH, dass ein Verstoß gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität vorliegen würde, wenn Personengesellschaften, zu deren Gesellschaftern neben dem Organträger nur Personen gehörten, die im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert seien, und Personengesellschaften, deren Gesellschafter nicht alle in dieser Weise finanziell eingegliedert seien, die gleichen Umsätze tätigen und miteinander im Wettbewerb stünden.

Fazit

Die Rechtsanwendungspraxis wird sich auf die Erleichterungen, die die Entscheidung des EuGH mit sich bringen, anzupassen haben. Damit können bei der Konzeption von Beteiligungsstrukturen innerhalb einer Unternehmensgruppe auch vermehrt Personengesellschaften als Organgesellschaften berücksichtigt werden, wenn deren Gesellschafter nicht finanziell in das Unternehmen des Organträgers eingebunden sind. Die gesellschaftsvertraglichen Gestaltungen, um dieses Ziel zu erreichen, bedürfen einer gründlichen Beratung.